Heute machen wir eine kleine Entspannungsübung, einen gedanklichen Ausflug aus der Heimisolation. Sucht euch einen gemütlichen Platz, setzt euch bequem hin, schließt die Augen und stellt euch einen schönen Ort vor.
Dieser Ort ist wie der Geheime Garten aus Frances Hodgson Burnetts beliebtem Kinderbuch. Eine hohe Backsteinmauer, ein unscheinbares Tor – und dahinter: das Paradies. Wohin man schaut alle Farben des Regenbogens. Es riecht nach frisch geschnittenem Gras, Tautropfen und Sonnenschein. Überall flirrt, zirpt, fiept, schnurrt und surrt es. Dieser Ort lebt. Seht und spürt ihr es? Gut, dann können wir anfangen.
„Wir lehnen nicht nur chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel ab, sondern auch solche, die für den biologischen Landbau zugelassen sind.“
Wir beginnen unseren gedanklichen Rundgang beim blumenbewachsenen, alten Glashaus, erbaut im Jahr 1897. Der Unterschied zwischen den Tag- und Nachttemperaturen im Inneren ist groß – deswegen sind die Jungpflanzen, die hier gezogen werden, abgehärtet wie sonst keine.
Wir schlendern weiter, vorbei an den bunten Gemüsebeeten, hin zu den Streuobstwiesen. Hier treffen wir Klosterbauer Hannes Kleedorfer, den Schöpfer dieses Paradieses. „Als wir vor zehn Jahren hierhergekommen sind und die Pachtfläche des Missionshauses St. Gabriel besichtigt haben, war ich begeistert vom Ambiente der Anlage. Das ökologische Potenzial war aufgrund der bis zu hundert Jahre alten Obstbäume riesig.“
TIPP!
Wer von Hannes Kleedorfer mehr zum Thema Obstbäume lernen will, kommt zu einem der Obstbaumschnittkurse des Biosphärenpark Wienerwald.
Seit neun Jahren bewirtschaften Hannes Kleedorfer und seine Partnerin Katharina Neuninger den Hof jetzt schon – und das „ökologisch vorbildlich“, wie sie es nennen. „Wir lehnen nicht nur chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel ab, sondern auch solche, die für den biologischen Landbau zugelassen sind.“ Das sind zum Beispiel Kupfer, das Öl des Neem-Baumes oder Bacillus thuringiensis – ein Bakterium, dessen Sporen ein Protein freisetzen, das für Schmetterlingslarven giftig ist. „Wir arbeiten nur mit selbst angesetzten Pflanzenjauchen, setzen auf Vielfalt und fördern Nützlinge.“
Gerade raschelt es im Gebüsch. Aus dem Dickicht taucht eine Schar Hühner auf. Hier unter den Obstbäumen fühlen sie sich rundum wohl. Verweilen wir also ein bisschen und beobachten sie beim Picken und Scharren.
Besonders stolz ist Hannes Kleedorfer auf seine Naturbruten.
Ich wollt‘ ich wär ein Klosterbauer-Huhn
Ökologisch vorbildlich ist beim Klosterbauer auch die Hühnerhaltung. Auf der zur Verfügung stehenden Fläche könnte Hannes Kleedorfer an die tausend Hühner halten. Tatsächlich sind es aber nur hundert. „Mit der Massentierhaltung ist das so eine Sache: Wo fängt sie an und wo hört sie auf? Selbst wenn man unsere hundert Hühner alle zusammen halten würde, wäre das Massentierhaltung.“ Deshalb sind die Tiere in Kleingruppen mit rund fünfzehn Tieren getrennt. „Jede Gruppe hat auch einen Hahn dabei. Und der ist nicht nur Show, sondern um die Hühner zu bewachen und das natürliche Gefüge aufrechtzuerhalten.“ Jede Gruppe hat ihre eigene Dynamik. „Deshalb kann man ein Tier auch nicht einfach von da nach dort setzen. Das wäre nicht nur für das einzelne Tier schrecklich, sondern für die gesamte Gruppe. Die ganze Hackordnung müsste neu aufgebaut werden.“
Eine Klosterbauer-Henne hat rund hundert Quadratmeter Auslauf – zehnmal mehr als im BIO-Bereich vorgeschrieben. Und was das für ein Auslauf ist! Keine öde Rasenfläche, sondern ein Abenteuerspielplatz! Da gibt es kahle Stellen, wo die Hennen die für sie so wichtigen, ausgedehnten Sandbäder nehmen können; Kräuter zum Naschen zwischendurch; Sträucher zum Verstecken und Bäume, die vor Sonne und Wind schützen. Um die Bodengesundheit zu erhalten, ziehen die Hühner auch ab und zu um. Denn wenn die Fläche zu sehr mit Stickstoff belastet wird, leiden die Bodenlebewesen, die wiederum eine wichtige Eiweißquelle für die Hühner sind.
Jede Gruppe bekommt außerdem ein speziell auf sie abgestimmtes Futter, hauptsächlich Weizen, den Hannes Kleedorfer im Waldviertel anbaut.
Jede Gruppe bekommt außerdem ein speziell auf sie abgestimmtes Futter, hauptsächlich Weizen, den Hannes Kleedorfer im Waldviertel anbaut. Sollen die Hennen zu brüten beginnen, bekommen sie zusätzlich Gerste. Möchte Hannes, dass sie ein bisschen größer und fester werden, gibt es ein bisschen Mais. Daraus ergeben sich dann unterschiedliche Dotterfarben. „Ein dunkelgelber Dotter spricht noch nicht für eine gute Hühnerhaltung. Wenn der Dotter im Winter dunkelgelb ist, dann stimmt etwas nicht.“ Vermutlich kam in einem solchen Fall die Farbkarte zum Einsatz.
Besonders stolz ist Hannes Kleedorfer auf seine Naturbruten. „Bei uns dürfen die Hennen ihre Küken noch selbst ausbrüten.“ Damit hat Hannes schon Einiges an Erfahrung. „Meine Mama hat mir erzählt, dass ich mit fünf Jahren meine erste Henne angesetzt, ihr also die auszubrütenden Eier hingelegt, habe.“
Der Arbeitsaufwand für dieses Hühner-Verwöhnprogramm ist natürlich enorm. „Es anders zu machen, kommt für mich aber nicht in Frage.“
Wer Klosterbauers Hühner live erleben
und mehr über ihre Haltung erfahren möchte, kommt zum Hendltreff auf den Hof!
Der Macho-Test
So gut wie alle Eier im Handel kommen von „Legehybriden“, also von Hühnern, die so gezüchtet sind, dass sie möglichst viele Eier legen. Diese Eigenschaft geht in den Nachkommen aber schnell wieder verloren. „Man ist damit von den Großkonzernen abhängig, weil man immer wieder neue Küken kaufen muss“, erklärt Hannes Kleedorfer.
Deshalb beschäftigt man sich beim Klosterbauer auch mit Alten Rassen, wie etwa Sulmtalern und Altsteirern, aber auch mit englischen wie Orpington und Sussex. „In den letzten Jahren wurden diese Alten Rassen allerdings mehr auf Schönheit, als auf Robustheit gezüchtet. Sie sind daher kaum mehr widerstandsfähig gegen raue Witterungsbedingungen oder Parasitenbefall.“
Deswegen kreuzt Hannes Kleedorfer auf seinem Hof selbst. Um etwa herauszufinden, ob ein Junghahn ein Gentleman – und damit für die Weiterzucht geeignet – ist, gibt es einen simplen Test: „Man wirft ihm einen Leckerbissen hin, ein Stückerl Brot zum Beispiel. Und dann beobachtet man, ob er sich ganz gierig drauf stürzt und es selber frisst oder ob er die Damen lockt und es ihnen serviert.“
Sich selbst ein Bild machen
Im Hintergrund kräht ein Hahn, die Sonne geht langsam unter. Es ist Zeit, Abschied zu nehmen. Eines möchte uns Hannes Kleedorfer aber noch mitgeben: „Bio ist nicht gleich Bio. Gehen Sie hin, schauen Sie sich den Betrieb an, machen Sie sich selbst ein Bild.“