Die Pilzwerkstatt - Speisepilze aus dem Wienerwald
Eine sanfte Brise, das Windspiel tanzt, der Bambus raschelt. Ein besonderer Platz – das merkt man, sobald man den weitläufigen Innenhof des „Dorfplatzes“ in St. Andrä-Wördern betritt. Der ehemalige Pferde- und Kuhstall des Novotnyhofes, der lange Zeit leer stand, ist seit fünf Jahren ein Ort der Begegnungen. In gemeinschaftlich genutzten Werkstätten und Büros arbeiten Menschen neben- und miteinander.
Hier treffen wir Jonathan Hetzendorfer, einen 28 Jahre alten Pilzzüchter mit schwarzem Barett und sympathischem Grinsen. Wir beginnen unser Interview mit einem Rundgang über das Gelände. Neben Jonathan und seiner „Pilzwerkstatt“ haben sich am „Dorfplatz“ unter anderem ein Messerschmid, eine Slow Fashion-Designerin, ein Bogenbauer, ein Weidenflechter und mehrere TischlerInnen eingerichtet. Die „Hofküche“ bietet montags bis freitags gesunde Mittagsmenüs und einen gemütlichen Ort zum Plaudern. „Ich glaube, man spürt es, wenn man hier in den Hof kommt. Hier ist schon viel passiert, aber es gibt noch irrsinnig viel Potenzial für das, was hier noch passieren kann“, sagt Jonathan und lässt den Blick schweifen. „Früher sind die Leute aus dem Ort auf der Außenseite an der Straße entlanggegangen. Mittlerweile machen viele einen Schlenker und spazieren durch den Hof. Das ist sehr schön zu sehen, wie sich hier wieder Leben einnistet.“
Was das Arbeiten hier am „Dorfplatz“ besonders macht? „Ich wusste von Anfang an, dass das hier kein klassischer Mietvertrag ist – unterschreiben und damit ist alles erledigt. Es ist ein gemeinsames Arbeiten, aber auch ein gemeinsames Organisieren.“ Seit drei Jahren sind Jonathan und seine Pilze jetzt schon am Dorfplatz. „Wenn ich etwas brauche, ist immer irgendwer da. Und wenn jemand anderer etwas braucht, bin ich da. Das ist einfach toll, einander unter die Arme greifen zu können.“
Den Pilz lesen können
Die „Pilzwerkstatt“ ist ein ausgedienter, isolierter und technisch adaptierter Hochseeschiffscontainer, der in einer Ecke des „Dorfplatzes“ ein neues Zuhause gefunden hat. Dort drinnen werden die Päckchen mit den Pilzsubstraten zur Fruchtung aufgestellt. Die Substrate – Holzspäne oder Stroh, die durch Wärmebehandlung keimfrei gemacht und anschließend mit dem Pilzmyzel beimpft werden – bekommt Jonathan momentan noch geliefert. „Das ist der nächste große Schritt, auch das Substrat selbst herzustellen. Das Gerät dafür gibt es schon, ich muss es nur noch zum Laufen bringen“, zeigt er sich zuversichtlich. Verpackt ist das Substrat in Plastik. „Maisstärke oder andere biologisch abbaubare Stoffe zu verwenden, wäre hier nicht sinnvoll – der Pilz würde sie einfach aufessen. Da, wo es wirklich notwendig ist, verwende ich Kunststoff – ansonsten setzte ich auf wiederverwendbare, recycelbare oder kompostierbare Materialien wie Papier, Karton und Glas.“
Das Pilzmyzel, ein Geflecht aus Pilzfäden, durchwächst anschließend gesamte Substrat. Schlussendlich bildet es in der „Fruchtungsphase“ den Fruchtkörper – das „Schwammerl“. Dafür braucht es eine fein abgestimmte Mischung aus Temperatur, Feuchtigkeit und Licht. „Ich versuche, den Pilzen die bestmöglichen Bedingungen zu bieten. Aber man muss den Pilz auch lesen können und sehen worauf er gut oder schlecht reagiert.“
Wenn alles gut läuft, erntet Jonathan dann nach rund zwei Wochen Pilzarten wie Shiitake oder Kräuterseitlinge, aber auch den rosafarbenen Rosenseitling oder den Ästigen Stachelbart.
Welche Pilzarten gerade verfügbar sind, hängt von der Außentemperatur ab – denn manche Pilze mögen es kühler, andere lieber wärmer. „Es ist nicht sinnvoll, den Container im Winter auf 25 Grad zu heizen und im Sommer auf zwölf Grad runterzukühlen." Saisonalität ist also wichtig – auch in der Pilzzucht.
Hinter dem Produkt stehen können
Die Frischpilze verkauft Jonathan zwei bis maximal vier Tage nach der Ernte. „Im Supermarkt ist es üblich, dass Lebensmittel weggeworfen werden, wenn sie nicht mehr schön anzusehen sind.“ In der „Pilzwerkstatt“ allerdings werden die nicht verkauften Frischpilze getrocknet, bevor sie anfangen an Qualität zu verlieren. Die Pilze bekommen so sozusagen eine zweite Chance. Eine tolle Idee gegen die Lebensmittelverschwendung!
„Ich will kein Produkt verkaufen, von dem ich nicht überzeugt bin und hinter dem ich nicht stehen kann. Es geht darum, nach bestem Wissen und Gewissen zu arbeiten. Ich möchte selbst ein gutes Gefühl behalten können und dass meine Kunden mit einem guten Gefühl mein Geschäft verlassen.“